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Raubtier

  • von Hero Merkel
  • 05 Juli, 2018

"In jedem von uns lebt ein weißer und ein schwarzer Wolf. Der weiße Wolf lebt von dem Guten, der schwarze Wolf lebt von dem Schlechten. Sie kämpfen in unserem Innern. Wir müssen darauf achten welchen wir füttern, aber genauso unsere beiden Wölfe akzeptieren, um das innere Gleichgewicht herzustellen." alte Indianerweisheit

„Verhalte dich nicht wie ein Raubtier.“

Dieses Mantra haben wahrscheinlich die meisten Horsemanship-Interessierten schon einmal gehört. Wir Menschen sollen uns nicht wie ein Raubtier (also wie es für uns typisch wäre) verhalten und Pferde sollen sich nicht wie ein Fluchttier verhalten (obwohl sie offensichtlich Fluchttiere sind).

Kurz gesagt, sollten beide Spezies versuchen auf die andere zu zugehen, um die Vertrautheit und Beziehung zu fördern.

Soweit ist dies logisch.

Prinzipielle habe ich verstanden, dass ich kein raubtiertypisches Verhalten zeigen soll, wie beispielsweise das starke Fokusiren einer Sache oder eines Ziels oder das plötzliche Zuschnappen. Praktisch klappt gelingt mir dies immer häufiger.

Während den letzten Jahren war ich recht zufrieden mit meiner Entwicklung, ich hatte meiner Meinung nach mein Raubtierverhalten in fast allen Situationen abgeschafft. Dieser Erfolg zeigte sich in meinen Augen auch am Verhalten der Pferde um mich herum.

Wieder einmal zeigt Jezebel mir jedoch, wo ich noch Verbesserungsbedarf habe oder anders ausgedrückt: Sie zeigt mir, wann ich komplett in das Raubtierverhalten rutsche und was meine anderen Pferde einfach nur gutmütig übersehen.

Wir machen daraus ein kleines Ratespiel – in welcher Situation zeigen Menschen ihr Raubtierverhalten in Gesellschaft ihres Pferdes?

Wichtige Indizien sind Folgende:

-        Diese Situationen treten in der Regel nur im Sommer bei gutem Wetter auf

-        Selbst der gutmütigste Veganer bekommt in solchen Situationen Mordgedanken

-        Versagen wir als Raubtier, spüren wir die Konsequenzen (oder unsere Pferde spüren sie) in Form von Schmerzen

-        Wenn wir erfolgreich sind, werden unsere Hände dreckig – sind wir etwas zu spät, klebt sogar Blut an unseren Händen

-        Das Fokusiren und dann das schnelle Zuschnappen, üben viele Pferdebesitzer jeden Sommer in der besagten Situation

 

Na wisst ihr was ich meine?

Seid ihr auch schon einmal Raubtier geworden?

Merken eure Pferde, dass ihr zum Raubtier werdet oder ignorieren sie euch?

 

Ich spreche natürlich von stechenden Insekten im Sommer: In unserem Fall bekommen wir jeden Sommer während zwei oder drei Monaten Besuch von tausenden Pferdebremsen, deren Stiche fürchterlich schmerzen und kratzen.

Ich muss gestehen, dass ich auf jedes von mir getötet Insekt dieser Gattung stolz bin – die Plage ist einfach unerträglich bei uns. Ich versuche auch meine Pferde so gut es geht vor ihnen zu beschützen. Da die Bestien scheinbar gegen alle erhältlichen Sprays immun sind und durch Stoff stechen, bleibt mir nur ihre Vernichtung.

Alle meine Pferde nehmen dieses Angebot dankend an – alle außer Jezebel. Sie findet mich etwas unheimlich, wenn ich auf Bremsenjagt bin.

Als ich dies bemerkte, versuchte ich natürlich sofort mein Verhalten abzustellen. Aber Jagen ohne Fokusiren und ohne Zuschnappen ist ehrlich gesagt doch sehr uneffektiv.

Deshalb habe ich jetzt eine andere Vorgehensweise: Ich mache einfach weiter und zeige ihr, dass sie nicht gemeint ist. Im Grunde darf sie bei meiner Jagt genauso entspannt sein, wie wenn wir verschiedene Artefakte des Gelassenheitstrainings anschauen. Wir verfolgen dabei dasselbe Prinzip.

Provokant könnte ich sagen, dass sie mich nun auch im Blutrausch kennt und so einen weiteren Teil meiner Persönlichkeit gesehen hat, aber das würde mich in einem ganz falschen Bild zeigen.

Im Grunde sollten mich meine Pferde so akzeptieren wie ich bin, auch wenn ich mein Verhalten ihnen gegenüber anpasse. Das könnte man durchaus auch als Kompromiss bezeichnen.

Nun bleibt für mich aber die Frage, ob ich den Pferden auch diese Chance gebe. Akzeptiere ich ihr Verhalten, solange sie ihr Verhalten mir gegenüber anpassen?

Ja, ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass ich Jezebels Verhalten akzeptiere. Sie darf Fluchtverhalten zeigen oder ihren Bedürfnissen Ausdruck verleihen, solange sie mich dabei nicht gefährdet und mich als ihren Partner ansieht. Je mehr wir jedoch gemeinsam erleben, desto seltener sehe ich solches Verhalten. Sie ist entspannter, weil sie mir vertraut und unsere Herde nicht führen muss. Dies kommt ihr positiv zu Gute.

Wenn wir das Bremsenbeispiel beiseitelegen, dann kann ich klar sagen, dass es mir ebenfalls gut tut nicht immer mein Raubtierverhalten zu zeigen, sondern entspannter und freundlicher auf andere Lebewesen zuzugehen.

Ich für mich versuche aus diesen Beispielen zu lernen, dass ich andere Lebewesen in ihrer Art ganzheitlich akzeptieren sollte, solange ich spüre, dass sie auf mich eingehen und mir nichts Böses wollen. Durch meine Akzeptanz bereite ich ihnen den Weg zu mir und mir und ihnen den Weg zu einer guten Zusammenarbeit.

Ich öffne meinen Pferden die Tür, von mir positiv beeinflusst zu werden und so etwas zu lernen, ohne sich selbst zu verlieren.

&
von Hero Merkel 10. Januar 2019
Die nobelste Entdeckung, die der Menschen je gemacht hat, ist die Freundschaft zu dem Pferd. Ein stolzes und leidenschaftliches Tier, welches mit ihm die Schnelligkeit eines Tigers bei der Fortbewegung, die Kraft eines Elfanten beim Transport von Dingen und die Beeindruckende Erscheinung eines Zentauers im Kampf verlieh.
Für unser Showprojekt nächsten Sommer durchforste ich spannende Literatur zum Thema "Pferd und Mensch".
Man sagt, dass der Hund der älteste Freund des Menschen sei - dies mag richtig sein, aber kein anderes Lebewesen folgte dem Menschen so treu über Jahrtausende hinweg wie das Pferd - kein anderes Lebewesen half dem Menschen so tatkräftig beim Bau der Zivilisation wie das Pferd.
Bei Hunden ist schon belegt, dass sie sich selbst domestiziert haben und so die Nähe des Menschen selbst gesucht haben. Ich bin mir fast sicher, dass wir dies irgendwann auch beim Pferd nachweisen können.
Zugegebener Maßen waren die ersten Jahrtausende an der Seite des Menschen wenig luxuriöse, aber heutzutage sind sie - zumindest als wohlbehüteter Freizeitpartner - in einer meist glücklichen Position.
Reitervölker wie die Amazonen kämpften schon recht schnell, während andere wie die alten Griechen das Pferd lange Zeit ausschließlich als Transportmittel nutzten.
Transportwagen und schließlich auch der Ackerbau fügten sich zu den Aufgaben der Pferde hinzu. Erst in der Ritterzeit wurde der Kampf zu Pferd kultiviert.
Mit den Musketieren und der Renaissance wurden aus Reitern immer mehr elegante und schließlich auch idealerweise sanfte Passagiere und die Pferdeausbildung wurde zur Kunst.
Schon damals hielt man Pferde nicht mehr nur zum Transport oder zum Kampf, sondern auch wegen des Ansehens und dem Vergnügen.
Wer aber glaubt, die Kriegszeiten der Pferde wären schon lange vorbei, der irrt: Noch im zweiten Weltkrieg starben Millionen von Pferden.
Wer also sein Pferd verwöhnt und betüddelt, der tut dies meiner Meinung nach mit Recht. Pferde sind und waren treue Partner des Menschen. Sie folgten uns durch die Zeit, über Meere und Kontinente - in guten wie in schlechten Zeiten, bei Krieg und auch bei Frieden.
Heute können wir bei jedem kleinen Kratzer den Tierarzt holen, das Futter mit klein geschnittenem Obst schmücken, Mineralfutter für teures Geld kaufen und wunderschöne Wiesen einmatschen lassen, damit es unseren Partnern an nichts fehlt und dennoch werden wir für immer in ihrer Schuld stehen.
Ich bin davon überzeugt, dass das Leben der Pferde bei uns Menschen schöner und erfüllter sein kann als in der Wildnis und genau dies ist mein Antrieb Pferde zu haben und mit ihnen zu arbeiten. Ich möchte ihnen Geborgenheit, gutes Futter, Wasser, Platz, tolle Schlafmöglichkeiten und Abwechselung bieten - im Idealfall noch körperliche Fitness.
Dabei beschäftigt mich die Frage, ob die Pferde in der Hoffnung auf das heutige Leben möglicherweise den Kontakt zum Menschen schon vor Jahrtausenden gesucht haben. Die Antwort werde ich allerdings wahrscheinlich nie wirklich bekommen, die Antwort steckt in den Taten der heutigen Pferdemenschen und vor allem der heutigen Pferde.
von Hero Merkel 5. November 2018

Nachdem mein Team und ich nächstes Jahr ein neues Großprojekt zu stemmen haben, bei dem wir drei Monate praktisch täglich auftreten werden, musste ich mein Pferdeteam wieder vergrößern.

Laisy – eine 3,5 jährige Paint Horse-Mix Stute – zog vergangene Woche bei uns ein.

Sie ist ein Braunschecke und sieht meinem Omen optisch sehr ähnlich. Ausgestattet mit einem breiten körperlichen Fundament und Nerven aus Stahl, hoffe ich, dass sie eine Karriere als Stuntpferd vor sich hat.

Ihre Vorbesitzerin und Züchterin, hat sich im Gelände einige Mal von ihr hinter den anderen Pferden hertragen lassen, aber Hilfen kannte sie bisher noch nicht.

Sie ist für mich der perfekte Ausgleich zu Jezebel. Groß und stark, kann sie am Boden sehr büffelig sein, einen im Schritt charmant überrennen und bei zu viel körperlicher Arbeit zickig sein. Beim Reiten strahlt sie schon jetzt Ruhe und Sicherheit aus. Sie lernt die Hilfen schnell und findet ihr Gleichgewicht leicht - neugieriges Glupschen in alle Richtungen beim Reiten inklusive. Ihre Gangarten sind weich und sehr leicht zu Sitzen.

Sie ist introvertiert und nimmt Motivierungsspiele sehr gut an, neugierig und menschenorientiert geiert sie nach meinem Lob, was mir natürlich entgegenkommt.

Die „Lenkung“ konnte ich gut am Boden durch die Handarbeit üben, aber die Akzeptanz des Schenkels musste ich größten Teils beim Reiten selbst ausdiskutieren.

Hier meine Tipps für die Akzeptanz des Schenkels:

  • Natürlich kann ich am Boden schon mit meiner Hand an der Gurtlage kitzeln und das Pferd so zum Weichen bewegen. Wenn es diese Berührung am Boden kennt und akzeptiert, dann wird es auch beim Reiten leichter.
  • Dann beim Reiten lasse ich mich erst ein paar Mal bei leichtem Beineinfluss anführen von einem Helfer am Boden.
  • Grundsätzlich bringe ich dem Pferd zuerst den seitwärtstreibenden Schenkel bei, bevor ich vorwärts treibe, denn dies ist nur einseitig zu spüren und so fühlen sich die meisten Pferde weniger bedrängt:

Dafür biege ich den Kopf des Pferdes leicht zu einer Seite, während ich mit meinem Schenkel auf dieser Seite drücke bis die Hinterhand gewichen ist. Ich entspanne mich sofort, wenn das Pferd reagiert – die meisten Pferde gehen dann noch einige Schritte gerade aus.

  • Auf keinen Fall würde ich einfach mit beiden Beinen festdrücken  oder gar klopfen, wenn das Pferd vorwärts gehen soll, die Hilfen aber noch nicht kennt. Dies ist im besten Fall unangenehm für das Pferd, aber es ignoriert dies. Im schlechtesten Fall reagiert das Pferd mit Bocken auf die unangenehme und unbekannte Hilfe.

Die ersten Schritte unter dem Reiter sind prägend für junge Pferde, im Idealfall sind sie vor allem eines: Entspannend für Tier und Mensch.

Laisys Start war daher optimal.

Meine zwei jungen Stuten sind von Grund auf verschieden und gerade deshalb genieße ich die momentane Zeit. Beide haben Chancen tolle „Lieblingspferde“ zu werden und durch ihre Unterschiede fordern sie mich und meine Kreativität.

Ihre Begabungen unterscheiden sich genauso wie ihr Charakter. Glücklicherweise kann ich in den Shows flexibel auf ihre Talente eingehen und sie dorthin gehend fördern.

Die Individualität meiner Pferde lässt sich für mich mit Gold aufwiegen, die Einzigartigkeit jedes Lebewesens ist erhaltenswert.


von Hero Merkel 11. Oktober 2018
Verantwortung ist keine unangenehme Pflicht, sondern eine Selbstverständlichkeit, die man mit Freude annehmen sollte.
von Hero Merkel 5. Oktober 2018

Das „Kompliment“ gehört zu den Zirkuslektionen und ist oft im Hengstkampf oder bei zwei spielenden Pferden zu sehen.

Hierfür winkelt das Pferd eines seiner Vorderbeine an und lässt das andere gestreckt, während es sein Gewicht nach hinten verlagert und mit dem vorderen Teil seines Körpers nach unten kommt, bis das angewinkelte Vorderbein am Boden ist.

Pferde zeigen diese Übung oft mit ihren Artgenossen um bei einer Diskussion nachzugeben. Dafür beißt in der Regel das andere Pferd unterhalb des Ellenbogens hinten in das Vorderbein.

Ich habe diese Übung aber auch schon bei Pferden gesehen, die versuchten unter Zäunen durch Gras zu fressen und für die es daher besonders praktisch war, sich flach am Boden klein zu machen.

Obwohl diese Übung offensichtlich für Pferde natürlich ist, führe ich sie ganz langsam in diese Position, um sowohl Stress als auch Verletzungen zu vermeiden.

Ebenso frage ich erst nach diesen Übungen, wenn mein Pferd mental bei mir entspannt, und ich deutlich sehen kann, dass es kein Stress in meiner Umgebung und gleichzeitig aber auch an dem Ort hat, an dem wir uns befinden.

Das Pferd soll diese Übung mit mir aus der Ruhe heraus zeigen und nicht aus einem Zwang heraus.

 

Step by Step zum Kompliment (ich nutze ein Knotenhalfter mit Zügeln und eine Gerte, gegebenenfalls Leckerlies als Lob):

1.      Im ersten Schritt hebe ich eines der Vorderbeine mit einer Handanund nehme mit der zweiten Hand die Zügel auf. Ich gebe mit der Hand an den Zügeln leichte Impulse nach hinten bis das Pferd sein Gewicht nach hinten verlagert. Sobald das passiert, lasse ich die Zügel wieder locker und lobe mit der Stimme, während ich versuche das Pferde wieder nach vorne in die Ausgangsposition schaukeln zu lassen (die meisten Pferde tun dies von selbst).

2.      Dieses Vor- und Zurückschaukeln wiederhole ich manchmal wochenlang, ohne das Pferd in irgendeiner Form zu einer schwierigeren Leistung ziehen zu wollen. Ich lobe lediglich immer, wenn ich einen Fortschritt sehe – hierbei kann es sich um eine stärkere Verlagerung nach hinten handeln oder wenn das Pferd beginnt sein Gewicht auch nach unten zu verlagern.

3.      Das Timing ist hierbei entscheidend: ich muss immer loben, wenn ich merke, dass mein Pferd über sich hinausgewachsen ist und mir mehr gegeben hat. Ich sollte jedoch nie versuchen das Pferd in diese Position zu zwingen, das macht dem Pferd nur unnötig Angst.

4.      Wenn mein Pferd dann durch das Schaukeln mit seinem angewinkelten Vorderbein bis auf den Boden kommt, kann ich beginnen diese Bewegung mit meinem gewünschten Kommando fürs Kompliment zu verbinden (entweder ein Wort als Stimmkommando oder eine Gertenberührung an einer Körperstelle – ich selbst berühre mit der Gerte das Vorderbein unterhalb des Ellenbogens). Dafür gebe ich immer das Kommando bevor ich wie gewohnt die Bewegung auslöse.

 

Das zurück nach vorne Schaukeln, sollte man nicht unterschätzen. Sowohl emotional als auch körperlich benötigt das Pferd auch die Bewegung aus der Übung heraus, um stressfrei und sicher aus der Lektion zu kommen.

Ich korrigiere bewusst nicht die Hinterbeine nach hinten, wie es viele Trainer machen, da ich gerne habe, wenn die Hinterbeine unter der Last bleiben, um den Rücken aufzuwölben.

 

Zirkuslektionen können sowohl im Positiven als auch im Negativen den Charakter des Pferdes und die Beziehung zwischen Mensch und Pferd verändern. Deshalb sollte man im richtigen Zeitpunkt mit dem nötigen Feingefühl an solche Lektionen rangehen.

Für mich ist ein Pferd erst in alle Richtungen nachgiebig, wenn man auch (neben der Bodenarbeit und der Dressurarbeit) alle Zirkuslektionen abrufen kann. 

Viel Spaß beim Üben!

von Hero Merkel 27. September 2018

Das umgangssprachlich genannte Spicken in der Schule wird von den Lehrern missbilligt und verachtet, die Schüler wiederrum haben es teilweise sogar als Sport identifiziert und finden die kreativsten und spannendsten Wege, um von einem Mitschüler oder einer Merkhilfe etwas abschauen zu können.

In der Schule geht es um Leistungsmessung und den Vergleich zwischen den Schülern, deshalb kann ich in gewisser Weise verstehen, dass die Lehrer dieses Ergebnis nicht verfälscht haben möchten. Allerdings vergibt man sich so die Möglichkeit des Lernens durch Zuschauen beziehungsweise durch abschauen.

Wie möglicherweise viele von euch wissen, gibt es verschiedene Lerntypen. Manche Menschen lernen besser durch Erklärungen (Sprache mit akustischen Reizen) oder durch Ausprobieren (das sogenannte Learning by doing), manche Menschen lernen aber auch durchs Vormachen (optische Reize).

In der Schule wird meistens nur ein Lerntyp optimal versorgt, die anderen haben es schwerer beim Lernen und fallen im schlimmsten Fall neben runter.

 

Bei Pferden gibt es auch unterschiedliche Lerntypen:

-        Es gibt Pferde, die gut durch Zuschauen lernen können – dementsprechend gut kopieren können.

-        Andere Pferde lernen besser, wenn man ihrem Körper langsam den gewünschten Bewegungsablauf zeigt. Demensprechend lassen diese Pferde sich gerne durch Hilfen des Menschen leiten.

-        Manche Pferde starten am liebsten tausend Versuche und benötigen dann vom Trainer im richtigen Moment die Bestätigung in Form von einem angenehmen Lob, um zu verstehen welche Übung gewollt war.

Für meine Pferde wünsche ich mir natürlich die optimale Hilfestellung für ihren ganz persönlichen Lerntyp.

Jezebel lernt besonders gut durch Zuschauen, deshalb nehme ich bewusst manchmal eines meiner älteren Pferde mit auf den Reitplatz und lasse sie zusehen, wenn ich mit ihren Artgenossen arbeite beziehungsweise kommuniziere. Für einzelne Übungen ist es manchmal sogar noch effektiver mit dem „Vorzeige Pferd“ die Übung auf der Weide oder im Stall zu wiederholen. Dies erkläre ich mir durch die entspannte und rein positive Atmosphäre. Der Reitplatz kann bei neuen und jungen Pferden auch Aufregung bedeuten, da sie ja nicht den ganzen Tag dort verbringen und ein Wechsel manchmal am Anfang stressend sein kann.

Natürlich lobe ich das Vorbildliche Pferd besonders, wenn es die gewollte Übung vor dem lernenden Pferd ausgeführt hat. Die positive und freudige Atmosphäre soll auch für jedes junge Pferde deutlich spürbar sein, damit es eine Chance hat, die Übung zu verstehen, um sie dann bald auch selbst durch zu führen.

Für mich hat dieses Lernen durch Vormachen etwas m it Inneren Bildern zu tun – es bekommt so eine Idee von der Übung und wie es sie selbst aufführen könnte.  

Grundsätzlich finde ich Abschauen in jedem Sinn wirklich sinnvoll und cool. Die Wege des Lernens sind unergründlich und schwer nachzuvollziehen. Eine gänzliche Chancengleichheit gibt es daher nie, wenn alle dasselbe tun sollen. Dennoch bitte ich meine Pferde immer wieder um dieselben Basis-Übungen, es ist dabei meine Aufgabe für jedes Pferd das Lernen individuelle zu erleichtern.

Ich persönlich lerne auch am besten durchs Abschauen. Eine Bewegung von einem anderen Körper zu kopieren fällt mir leichter, als sie mir theoretisch vorzustellen und dann umzusetzen.

Auch um mir Wörter zu merken, muss ich sie geistig mit einem Bild verbinden.

Diese Erkenntnis hatte ich leider nicht von Anfang an, sondern ich musste mich dafür erst selbst kennen lernen. Genauso muss ich jedes neue Pferd erst kennen lernen, um zu wissen, wie es selbst am besten oder Effektivsten lernt.

Wisst ihr, wie ihr am Besten lernt? Wisst ihr, wie eure Pferde am Besten Lernen? Falls ihr es nicht wisst, darf ich euch zum Selbsttest einladen.

Jezebel hat mich zu diesem Blogeintrag inspiriert, da sie durchs Abschauen sehr gut lernt. Aber auch meine neue Hündin lernt so am besten, ganz zu schweigen von mir selbst. Wir drei (Verschiedenste Spezies, verschiedene Größen, verschiedene Gehirne und verschiedene Verhaltensweisen) haben zufälligerweise denselben Lerntyp. Dies amüsiert mich und zeigt mir einmal mehr, wie nah wir uns sind. Jedes Lebewesen hat ein Recht auf individuelle Behandlung und ist einzigartig. Dennoch biete ich gerne Hilfestellungen an, die anderen Lebewesen schon geholfen haben – nicht jeden Fehler muss man selbst machen und spüren.

Wir finden sicherlich mit jedem Lebewesen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sowohl das eine als auch das andere können wir positiv nutzen, um uns das Leben angenehmer zu machen.

Ich nutze die Wege und Leitern von anderen Lebewesen, die vor mir da waren, lasse mich aber niemals von ihren Grenzen einschränken oder zurückhalten.


von Hero Merkel 18. September 2018

Häufig wird die Arbeit streng vom Vergnügen getrennt. Nicht umsonst heißt es: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“.

Aber mir stellt sich die Frage, warum dies so ist und vor allem, ob dies sinnvoll ist?

Wenn ich nachdenke, ist für mich nicht klar, warum ich kein Vergnügen bei meiner Arbeit empfinden sollte. Wenn wir in unserem Leben nach Glück streben, dann wäre es doch sogar zuträglich, Glück auch bei der Arbeit zu empfinden.

Beim Pferd ist uns dieser Gedanke schon viel näher – beim Pferd wünschen wir uns sogar, dass es bei seiner Arbeit mit uns Glück empfindet.

In meinem speziellen Fall habe ich für mich ein klares Statement: Mein Beruf ist anstrengend, nervenaufreiben und teilweise gefährlich. Ich akzeptiere dies alles, weil ich liebe, was ich tue. Wenn ich kein Vergnügen beziehungsweise kein Glück bei der Ausübung meines Berufes verspüren würde, könnte ich einen einfacheren Beruf wählen.

Dass ich Vergnügen bei meiner Arbeit empfinde, bedeutet nicht, dass ich keine andere Belohnung dafür verdiene (Geld), ich muss auch kein Geheimnis aus meiner Zufriedenheit machen. Es handelt sich dabei lediglich um ein, für mich wichtiges, Extra.

Ich habe mich bewusst für einen komplizierten Weg entschieden, um jeden Tag zu lieben und nicht nur zum Urlaub hin zu streben.

Dennoch habe ich das Recht manchmal Pausen machen zu wollen, müde zu sein oder Tätigkeiten als unangenehm zu empfinden.

Meine Arbeit ist schön, darf aber auch anstrengend sein und mich müde machen. Überwiegt die Anstrengung und die Müdigkeit vor der Zufriedenheit, muss ich mir überlegen, ob ich den Beruf wechseln möchte, denn das Glück in der Arbeit ist keine Möglichkeit, sondern ein Muss für mich.

Meinen Pferden sollte es genauso gehen: Die Freude sollte überwiegen, aber dennoch dürfen sie manchmal müde sein und Übungen als anstrengend empfinden.

Ich denke nicht, dass meine Pferde die Arbeit mit mir immer ausnahmslos lieben müssen, aber es sollte ein gesunder Wechsel zwischen dem Vergnügen und der Anstrengung herrschen.

Manchmal bitte ich sie eben sich anzustrengen, um körperlich fitter zu werden oder auf ein neues Level aufzusteigen. Nach dieser Arbeit sollte es jedoch immer wieder einen Moment geben, bei dem sie Spaß haben und sich bestätigt fühlen.

In meinem Leben gibt es auch solche Momente, in denen ich härter arbeite und kurz vor dem Limit bin für ein spezielles Ziel. Aber dabei weiß ich natürlich immer, dass diese Phase auch wieder enden wird und ich wieder ruhigere, angenehmere Momente haben werde. Das Pferd weiß dies natürlich nicht, deshalb dürfen wir die Anstrengung niemals zu sehr ausreizen und das Pferd niemals überlasten.

Meiner Meinung nach kommt es nicht darauf an, was wir tun, sondern wie wir es tun.

Unser Beruf bestimmt unser Leben und prägt uns. Es ist an uns zu definieren was für ein Mensch wir sein wollen und welchen Beruf wir wählen müssen, um zu ihm zu werden. Euer Wunsch-Ich kann gemütlich, fleißig, selbstbewusst, schnell, athletisch, intelligent und vieles mehr sein.

Ich habe das Glück mir eine große Chance auf Glück zu ermöglichen. Was ich im Endeffekt aus dieser Chance machen werde hängt an mir und wird sich noch zeigen, aber grundsätzlich ist die Chance zu erschaffen der erste Schritt um erfolgreich zu sein. Ich glaube nicht an Zufall, für jede glückliche Fügung muss man zuvor den Mut gehabt haben eine Tür zu öffnen oder den Fleiß gehabt haben sich eine Brücke zu bauen.  

Welchen glücklichen Zufall wünscht ihr euch? Wäre es nicht gar revolutionär darüber nachzudenken, was ihr tun könntet, um „dem Zufall“ den Weg zu euch angenehmer zu gestalten?

Ich ende heute mit dem fast schon schelmischen Gedanken, dass wir möglicherweise ganz alleine unseres Glückes Schmied sind und glückliche Zufälle aus Märchen stammen.

😉

�3
von Hero Merkel 9. September 2018
"Was ist an einem Pferd das Vollkommene? Es ist die Anmut."
von Hero Merkel 1. September 2018

Wie euch möglicherweise schon aufgefallen ist, bin ich ein recht positiver und im Allgemeinen glücklicher Mensch.

Ich liebe mein Leben und ersticke die meisten Probleme im Keim (dh. ich bearbeite und löse sie) bevor sie sich ausbreiten können. An unangenehme Momente erinnere ich mich nur sehr kurz und ich bin immer vom positiven Ende einer Situation überzeugt.

Aber es sind mir auch Menschen bekannt, die nicht so sind und auch ich kann manchmal ein bisschen mehr Hoffnung gebrauchen, um weiter voran schauen zu können und weiter positiv sein zu können.

Hoffnung ist für mich der Inbegriff von positiven Gedanken, weil in der Hoffnung nicht nur der Glaube an ein positives Ende steckt, sondern auch ein wenig Vorfreude auf das Ergebnis und die Gleichgültigkeit gegenüber allem Negativem.

Solange wir hoffen, ist noch nichts verloren. Solange wir hoffen, kann alles passieren ohne uns zu zerstören.

Ich hoffe immer im Hinblick auf meine Pferde und meinen Beruf. Bis jetzt habe ich noch nie aufgegeben. Ich lebe mit der Überzeugung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.

Es gibt allerdings Reiter beziehungsweise auch normale Menschen, die durch Schicksalsschläge oder ihren Grundcharakter weniger hoffen und mehr verzweifeln.

Ein kluger Reiter geht mit einem Problem zu einem guten Trainer, wenn er es selbst nicht lösen kann. Nun kommt es aber vor, dass manche Trainer lieber die Hoffnung rauben, als zuzugeben, dass sie nicht fähig genug sind, um die Lösung zu finden.

Ich sehe die Hauptaufgabe jedes Trainers oder Lehrers darin Hoffnung zu geben, aufzubauen und das Leben des Schülers positiv zu beeinflussen. Erst danach kommt das Lehren, welches im Übrigen auch in einer positiven Atmosphäre leichter fällt.

Von mir werdet ihr nie hören, dass ein Problem nicht zu lösen ist, oder dass ihr es nicht versuchen sollt zu lösen. Gehört habe ich solche Aussagen leider aber schon oft.

Parallel dazu versuche ich jedes Problem anzuschauen. Oft kommt mir die richtige Idee erst beim Beobachten. Daher habe ich mir angewöhnt alle Hilfesuchenden mit offenen Armen zu empfangen und ihnen Hilfe auch dann zu zusichern, wenn mir nicht sofort bei der Beschreibung die zündende Idee kommt. Ich verspreche mein Bestes zu geben, das ist nicht unbedingt das Bestmögliche, aber immerhin ein Anfang.

Sollte mich eine Situation überfordern, versuche ich immer einen anderen Trainer zu empfehlen. Meine Unwissenheit soll ja schließlich niemandem schaden und am Ende meiner Möglichkeiten einen Ausweg zu empfehlen, hilft sicherlich die Hoffnung zu erhalten.

Grundsätzlich wünsche ich mir, dass den momentan Hoffnungslosen mit diesem Text bewusster wird, dass niemand genügend Macht über sie haben sollte, um ihnen ihre Hoffnung zu rauben und dass es immer einen Plan B gibt, selbst wenn es nicht den Anschein macht.

Den Euphorischen möchte ich ihre Macht vor Augen führen: Wer genügend positive Energie hat, um sie mit anderen Menschen zu teilen und ihr Leben dadurch zu beeinflussen, kann sich glücklich schätzen, da er einen Schatz besitzt, der nicht mit Gold aufgewogen werden kann.

Und…

Wer weiß?

Möglicherweise ist die Hoffnung ja mit dem Glück verwand?

Möglicherweise verdoppelt sie sich genauso wie das Glück, sobald man sie mit einem anderen Menschen teilt.


von Hero Merkel 25. August 2018


In meiner Arbeit mit dem Pferd, aber auch generell in meinem Leben ist mir ein klarer Fokus und ein gut definiertes Ziel wichtig.

Beim Pferd habe ich einen mentalen Fokus, indem ich mir immer innerlich einen Plan zurechtlege – ein unausgesprochenes Tagesziel, welches mich leitet und mich nicht in die Verlegenheit bringt planlos mit dem Pferd auf dem Reitplatz zu sein. Dadurch ist es leichter für das Pferd mir die Führung zu überlassen, da ich leichter Sicherheit und Gelassenheit ausstrahlen kann. Für mich ist es leichter effektiv zu trainieren, da ich immer die Konzentration auf dem Ziel und dem Pferd haben kann und weniger suchen und überlegen muss.

In Verbindung mit dem Pferd gibt es aber für mich auch noch den körperlichen Fokus. Wohin sind meine Füße, mein Bauchnabel und meine Schultern gedreht? Schicke ich die Energie von mir weg oder ziehe ich sie zu mir her? Um eine klare und verständliche Körpersprache zu haben ist es essentiell seinen Fokus korrekt ausgerichtet zu haben – eben passend zu der Aussage, die man vermitteln möchte.

Ranghohe Pferde vermitteln in meinen Augen sehr klar, was sie wollen und wo ihr Fokus hindeutet.

Aber auch bei guten Horseman kann man einen korrekten Fokus beobachten.

Ich persönlich habe viele andere Lebewesen beobachtet (egal ob ein ranghohes Pferd oder ein guter und klarer Horseman), um mir ihre Körpersprache/ ihren Fokus anzueignen. Auch das Üben mit anderen Menschen hat mir geholfen, um die Fehler in der Körpersprache der Bodenarbeit auszubessern: Ein Mensch spielt das Pferd und ein Mensch ist der Mensch. Ohne sich zuvor abzusprechen kann der Mensch versuchen dem „Pferd“ einige Signale zu vermitteln. Das „Pferd“ darf dann einfach dem Impuls folgen und das ausführen, was er zuvor gespürt und verstanden hat. Im Anschluss kann man unter Menschen perfekt über die gesprochene Sprache aufklären, ob eine klare Kommunikation mit gut gesetztem Fokus stattgefunden hat oder nicht – und falls nicht, muss natürlich geklärt werden warum die beiden sich nicht verstanden haben.

Ideal ist es, wenn das Pferd von zwei Menschen gespielt wird, da dann der lange Körper des Pferdes besser simuliert wird: Vorderhand und Hinterhand werden dann von zwei Hintereinander stehenden Menschen gespielt.

Neben dem Lerneffekt mit eurem Pferd, werdet ihr bei dieser Übung möglicherweise auch noch den ein oder anderen Lacher mitnehmen können als positiven Nebeneffekt.

Mein momentaner Fokus mit Jezebel liegt auf der Beziehungsarbeit und der Entwicklung ihres Körpergefühls. Wir beschäftigen uns daher hauptsächlich am Boden mit einander – sowohl mit der Boden- als auch mit der Handarbeit, einige Sequenzen gestalte ich frei und oft gehen wir im Gelände spazieren. Langfristig ist es natürlich auch mein Ziel sie reiten zu können, deshalb sitze ich im Moment c.a. 3 Mal die Woche locker auf ihren Rücken und lasse mich im Schritt von ihr tragen.

Jeden Tag überlege ich mir am Morgen was ich am Tag mit jedem einzelnen Pferd erarbeiten möchte. Manche Trainingseinheiten sind sehr kurz, weil wir mein Ziel schnell erreichen konnte, manche Einheiten dauern länger, selten kommt es auch vor, dass meine Ziele für den jeweiligen Tag korrigiert werden müssen.

Immer, während meiner Arbeit mit den Pferden, versuche ich einen klaren Fokus zu haben – teilweise gelingt mir dies gut, teilweise eben nicht. Grundsätzlich suche ich den Fehler in meiner Körpersprache, falls mein Pferd mich nicht versteht. Sowohl am Boden als auch beim Reiten kann man so viele Missverständnisse klären und Lösungen finden ohne dem Pferd mehr Energie in der Kommunikation schicken zu müssen.

Es handelt sich bei der unverstandenen Körpersprache oder dem unverständlichen Fokus meist um eine Kleinigkeit, eine Minimalität, die die Kommunikation blockiert.

Dennoch ersparen wir uns viel Ärger mit oder über das Pferd, wenn wir auf diese Kleinigkeiten achten.

Der Fokus einerseits als Ziel im Leben und andererseits als Kommunikationsmittel hat mich effektiv und zufriedener gemacht. Sowohl meine Arbeit mit den Pferden profitiert davon, als auch mein Leben um die Pferde herum.

Zielstrebigkeit und Klarheit vereinfachen das Leben.

Mein Fokus zieht eine klare Linie durch mein Leben, ich schmücke sie mit Leichtigkeit und schönen Momenten ganz nach meinen Wünschen.

Der Fokus ist für mich wie eine vereinfachte Art der Ehrgeizes – er zieht mich dabei wie ein Fluss-Strom voran ohne Spuren zu hinterlassen und ohne meine Umwelt zu stören.

von Hero Merkel 12. August 2018

Die ersten Schritte mit Reiter auf dem Rücken sind in meinen Augen ein sehr wichtiger Moment im Leben des jungen Reitpferdes. Hier entscheidet sich, welche Einstellung es zum Reiter haben wird. Hier lernte es die möglichen Arten der Problemlösung mit Reiter kennen und prägt sich seine eigenen ein.

Normalerweise empfehle ich erst einmal über dem Sattel zu liegen, bevor ich mich ganz auf das Pferd setzte und mich im Schritt liegend führen lasse. Jezebel fand dies jedoch unheimlich.

Sie empfand wohl wie viele Wildpferde den Moment des Aufsteigens als gruselig und erkannte mich liegend nicht als ihren Menschen wieder.

Also entschied ich mich nach langem Überlegen auf dem Paddock neben ihrer Box immer wieder (Jezebel dich neben mir stehend) auf das Panel hoch und runter zu klettern bis sie sich dabei entspannte. Ich muss euch wahrscheinlich nicht erklären, wie dankbar ich über die Stabilität des Panels war, wenn sie manchmal nach der 20ten Wiederholung plötzlich aus heiterem Himmel eine extreme Reaktion zeigte (beispielsweise steigend 4 Meter wegzog). Irgendwann hatte sie mehrere Tage hintereinander keine extremen Reaktionen mehr gezeigt, wodurch ich mich traute auf dem Panel oben sitzend langsam ihren ganzen Rücken mit meinem Seil, meinem Stick, meinen Beinen und meinen Armen zu streicheln. Hier entschied ich mich für das Prinzip Annäherung und Rückzug und schaffte es durch gutes Beobachten immer wieder zu merken, bevor sie eine extreme Reaktion zeigen wollte und ich zog mich rechtzeitig zurück, sodass wir diese Etappe ohne besondere Vorkommnisse nach einigen Tagen abschließen konnten.

Gleichzeitig brauche ich euch wahrscheinlich nicht sagen, dass sie durch die Koppel, ihre Freunde dort und meine aufwärmende Arbeit wahrscheinlich auch keine Lust mehr hatte zu hopsen oder zu spielen.

Weitere Tage/ Wochen vergingen und ich rutschte langsam von meinem Panel auf ihren Rücken. Hierbei konnte ich eine neue Stufe der Geduld erlernen. Jeder minimale Fortschritt dauerte gefühlt eine Woche, aber es gab wundervollerweise keine Rückschritte.

Irgendwann war ich auf ihrem Rücken angekommen und streichelte sie dort, während ich mich gleichzeitig noch am Panel festhielt.

Ich muss gestehen, dass ihre extremen für mich oft unvorhersehbaren Ausbrüche mir ein klein wenig Angst eingeflößt hatten, sodass ich mich nicht gleich überwinden konnte, das Panel als Anker zu verlieren. Nach einigen Tagen fing sie plötzlich an sich ganz ungezwungen mit mir auf dem Rücken zu bewegen – Fliegen weg zu scheuchen, nach Leckerlies zu fragen oder sich am Ohr zu kratzen. Als ich ihre Entwicklung bemerkte, traute ich mich, uns von einer Person am Boden anführen zu lassen. Wir drehten eine kleine Tour im Schritt und ich stieg am Panel wieder ab. Jezebel war gelassen und ruhig, als ob sie schon immer geritten würde.

Wodurch kam dieser Erfolg, außer durch die wochenlange Vorbereitung?

Die führende Person am Boden:

  • Blieb ruhig und gelassen und bat sie sanft aber bestimmt ein langsames Tempo auf der richtigen Linie zu gehen.
  • Das Schwanken von Jezebel nahm diese Person wahr und hielt sie an, beziehungsweise bat sie um einen Schritt zurück, damit Jezebel ihr Gleichgewicht mit mir wiederfinden konnte – dies ist die erste Art dem Pferd zu erklären, dass man bei Problemen stehen bleiben und noch einmal nachfragen darf.
  • Die Person am Boden war keine Fremde für Jezebel sondern, hatte ebenfalls zu ihr Kontakt aufgebaut – Anonymität ist beim Pferd Gift – jeder der in solch einer wichtigen Situation dabei ist, sollte eine Beziehung zum Pferdaufgebaut haben.

Ich als Reiterin:

  • Mutierte zum entspannten Passagier, der weder durch zu extreme Entspannung und daraus resultierenden Wackelei Angst einflößte, noch durch Anspannung und klammernde Beine den Fluchtinstinkt aktivierte.
  • Ich lobte und sprach mit ihr, so wie ich es am Boden auch immer tue, sodass sie mich leicht wiedererkennen konnte als ihren Menschen.
  • Ich versuchte meine Bewegungen den ihren anzupassen, damit ich sie nicht noch zusätzlich aus dem Gleichgewicht brachte.
  • Ich schützte mich durch meinen Lieblingssattel und Rückschutz und Helm so, dass ich entspannt bleiben konnte.

Jezebel ist und war eine besondere Herausforderung für mich. Inzwischen ist sie recht lieb und unauffällig, aber als kleines Wildpferd zeigte sie am Anfang immer wieder, wie sehr ich mich an domestizierte Pferde gewöhnt hatte.

Von ihr getragen zu werden, ist für mich eine Ehre, da sie mir deutlich gezeigt hat, dass sie dies nicht mit jedem Menschen akzeptieren würde.

Jeden Fortschritt gestaltete ich für sie noch einmal kleiner als bei jedem anderen Pferd, welches ich zum Reitpferd gemacht habe.

Am Boden verlangt sie zwar nach unglaublich viel Abwechslung und Neuem, aber beim Reiten zeigt sie, dass dies nicht in ihrer Natur liegt, dass sie es aber gerne für mich lernen möchte.

Sie zeigte mir ab einer gewissen Stufe immer, wenn ich die nächste Stufe angehen konnte und dies möchte ich versuchen beizubehalten. Ich möchte sie weiterhin immer beim Reiten fragen, ob wir wiederholen sollen oder voranschreiten. Mit dem Vertrauen in Jezebel und ihre Einschätzung freue ich mich auf die nächsten Momente und Fortschritte auf ihrem Rücken.

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